Armut bekämpfen! Linksfraktion fordert Armuts- und Reichtumsbericht in der BV Wandsbek
Im aktuellen Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtverbands liegt Hamburg mit einer Armutsquote von 19,4% deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 16,8%. Die Zahlen für Kinderarmut, die Armut Jungerwachsener sowie Altersarmut sind noch einmal erschreckender. Aber wie genau sieht es im Bezirk Wandsbek aus? Thomas Iwan und die Linksfraktion Wandsbek wollen jetzt mit einem Antrag in der nächsten Bezirksversammlung am 30. Mai erreichen, dass die gesellschaftliche Entwicklung in einem Bericht über die Verteilung von Armut und Reichtum verbessert wird. Informationen sind erforderlich, um frühzeitig gegensteuern zu können und Benachteiligten besser und wirksamer helfen zu können.
- Die Tagesordnung der nächsten Sitzung der Bezirksversammlung Wandsbek ist hier online. Der Antrag der Linksfraktion ist hier in der Dokumentenverwaltung der Bezirksversammlung online. Und hier als PDF.
Der Antrag der Linksfraktion:
Armuts- und Reichtumsbericht für Wandsbek - Debattenantrag der Fraktion Die Linke
Sachverhalt:
Fast alle, die politischen Parteien vorneweg, wollen die Armut in der Bundesrepublik bekämpfen. Jeder neu veröffentlichte, aktualisierte Armutsbericht schlägt kurzfristig hohe Wellen in der Presse, inklusive Handlungsempfehlungen an die Politik, und landet dann doch wieder in der Schublade bei seinen Vorgängern.
Im aktuellen Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtverbands liegt Hamburg mit einer Armutsquote von 19,4% deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 16,8%. Die Zahlen für Kinderarmut, die Armut Jungerwachsener sowie Altersarmut sind noch einmal erschreckender.
Aber wie sieht es in Hamburg auf Bezirksebene und darunter aus? Da wird die Datenlage dünn. Die Auswertung des Statistikamts Nord in Hamburger Stadtteil-Profile: Berichtsjahr 2022 liefert zwar zahlreiche Daten, zur Sozialstruktur aber nur die bekannten Zahlen der Bundesagentur für Arbeit. Mehr wissen wir nicht. Es fehlen z.B. Angaben über die Anzahl der Rentner*innen, Rentner*innen mit ergänzender Grundsicherung, Minijobber, Daten zur Mobilität, Wohngeldbezug, und, und, und…
Der Bezirk Wandsbek mit seinen über 450.000 Einwohnenden (das wäre aktuell Platz 16 der deutschen Großstädte) benötigt eine eigene Sozialberichtserstattung, die mindestens alle zwei Jahre fortgeschrieben wird. Erst auf dieser Grundlage kann eine verstärkte Bekämpfung von Armut und Armutsgefährdung unter Einbeziehung der verschiedenen Ebenen von Arbeitsmarkt- und Wohnraumpolitik, Gesundheits- und Infrastrukturpolitik, von Hilfs- und Unterstützungsangeboten sinnvoll und begründet in Gang gesetzt werden.
Armut in einer reichen Gesellschaft fordert Beschreibung, Erklärung und die Entwicklung politischer Strategien und konkreter Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung, zur Vermeidung von Armutsrisiken und zur Verbesserung der Teilhabemöglichkeiten und Verwirklichungschancen. Mehr noch: einkommensarme Menschen stehen allzu oft im Fokus öffentlicher Debatten und sehen sich regelmäßig dem Misstrauen von Ämtern und Behörden ausgesetzt, während die Gruppe der besonders Wohlhabenden allzu oft im Verborgenen bleibt. Vor diesem Hintergrund ist eine differenzierte Berichterstattung über die soziale Lage der Hamburger*innen, der Segregation in den Stadtteilen und der sich stärker spreizenden Schere zwischen Arm und Reich unabdingbar, um auf dieser Grundlage entsprechende Maßnahmen zu entwickeln.
Auf Bürgerschaftsebene haben die Regierungsfraktionen von SPD und Grüne den Senat Ende 2022 mit Drucksache 22/10073 beauftragt, „im Rahmen einer stärker integrierten und auch sozialräumlich orientierten Sozialberichterstattung die vorhandenen Datenquellen weiter auszubauen und zu nutzen, um in Ergänzung zu den Lebenslagenberichten beginnend 2024 der Bürgerschaft im zweijährigen Takt einen digitalen Bericht zur sozialen Situation in Hamburg und seinen Stadtteilen beziehungsweise Sozialräumen vorzulegen…“. Der vorliegende Zwischenbericht der Sozialsenatorin von Anfang des Jahres (Drucksache 22/14264) zeigt jedoch, dass aktuell nicht mehr zu erwarten ist als eine digitale Aufbereitung bereits bestehender, für alle einsichtiger und teilweise von der Zeit überholter Datensätze.
„Bekämpft endlich die Armut!“ forderte die Diakonie bereits 2010. 14 Jahre sind seitdem vergangen, und kämpfen sieht anders aus. Zeit, das zu ändern.
Petitum/Beschluss:
Das Bezirksamt wird aufgefordert
- im Jahr 2024 erstmals und dann regelmäßig alle zwei Jahre einen integrierten und handlungsorientierten Armuts- und Reichtumsbericht für den Bezirk Wandsbek vorzulegen.
- die Zuständigkeit für die Berichterstattung auf eine unabhängige Sachverständigenkommission zu übertragen. Die Ziel- und Zusammensetzung der Kommission soll im Ausschuss für Soziales gemeinsam mit der Verwaltung erarbeitet werden.
- die Kommission erarbeitet auf Grundlage der Analyse ein umfassendes Handlungs- und Maßnahmenkonzept zur Armutsvermeidung und Bekämpfung sozialer Ungleichheit und Armut im Bezirk Wandsbek.
- in dem Programm werden verbindliche und nachprüfbare Ziele zur Reduktion von sozialer Ungleichheit und Armut definiert und konkrete Maßnahmen zur Erreichung der Ziele beschrieben. Die nachhaltige Reduktion des Armutsrisikos und damit der Armutsrisikoquote wird als ein zentraler Indikator für den Erfolg der Strategie herangezogen. Ein weiterer Indikator ist der gesicherte Zugang zu öffentlicher sozialer Infrastruktur und Dienstleistung.
- in Abstimmung mit der Sozialbehörde die erhobenen Daten so aufzubereiten, dass sie Teil der in Drucksache 22/14264 der Bürgerschaft beschriebenen digitalen Sozialberichterstattung werden können.
- die für die Durchführung des Projekts erforderlichen Mittel bei der Sozialbehörde einzuwerben.